Die Gesetze der Physik lassen keine Zeitmaschinen zu! (Vgl. Thorne 1996, S. 591) Dieser Satz aus der Feder einer der bedeutendsten Physiker der Gegenwart, Stephen Hawking, kommt einer Ohrfeige in die Gesichter vieler Science-Fiction-AutorInnen gleich. Die Natur verabscheue Zeitmaschinen, die Zeitrichtung müsse immer erhalten bleiben, fährt Hawking fort.
Nun, Sci-Fi AutorInnen sind, wie es das Suffix „Fiction“ anklingen lässt, keine Sklaven der Wissenschaft, sondern orientieren (!) sich bloß an ihr und der technischen sowie physikalischen „Realität“ – oder zumindest wie sie momentan als solche gilt - loten aber ihre Grenzen aus und durchbrechen sie, indem sie der Handlung in der Gegenwart oder fiktiven Zukunft ein „Novum“ hinzufügen, also etwas der Welt des Rezipienten sich Unterscheidendes. Dieses Novum wird in der Science-Fiction „auf der Grundlage des herrschenden wissenschaftlichen Weltbildes legitimiert.“ (Schröder 1998, S. 14)
Das herrschende wissenschaftliche Weltbild beinhaltet zwar – wie der erste Blogeintrag deutlich macht – prominente Theorien, die eine Zeitreise theoretisch nicht unmöglich erscheinen lassen, aber tatsächlich empirisch durchgeführte und auch in der gesamten Physikerschaft anerkannte Experimente lassen bisher noch auf sich warten. Derzeit sind auf Basis penibel durchgerechneter Wahrscheinlichkeiten bloße Gedankenexperimente durchführbar, „die danach fragen, welche Möglichkeiten einer unendlich fortgeschrittenen Zivilisation in Einklang mit den Gesetzen der Physik offenstehen und welche ihr verwehrt bleiben.“ (Thorne 1996, S. 562) Eine unendlich fortgeschrittene Zivilisation meint hier eine „Gesellschaft, die nicht durch mangelnde Fähigkeiten, fehlendes Know-how oder sonstige technische Schwierigkeiten in ihren Möglichkeiten begrenzt ist, sondern nur noch durch die physikalischen Gesetze selbst.“ (Ebd., S. 562)
In der Physik werden Gedankenexperimente durchgeführt, um sich der Konsequenz einer Theorie bewusst und sich ihrer logischen Widerspruchsfreiheit Gewahr zu werden. Das Ziel ist hierbei weder der Beweis dieser, noch ist die technische Realisierbarkeit notwendig. (Vgl. Schulz, 25.12.2008)
Man kann also, salopp gesagt, getrost PhysikerInnen mit Sci-Fi-AutorInnen vergleichen, sieht man von den meist eher weniger profunden Kenntnissen in der Wissenschaft zweiterer ab. Beide spielen mit Gedanken, wobei die eine Gruppe, „die“ WissenschaftlerInnen, auf der Basis von mathematischen Formeln, die anderen, „die“ AutorInnen, aus ihrem Fundus der Phantasie schöpfend, gekoppelt mit dem Wissen um Grundkenntnisse in einer Wissenschaft, welche letztendlich als Inspirationsquelle dient.
Philip K. Dick ist Autor, Stephen Hawking Wissenschaftler, Ronald L. Mallett beides: Professor für theoretische Physik und Sci-Fi-Autor. Sein Buch „Time Traveler: A Scientist's Personal Mission to Make Time Travel a Reality" lehnt sich stark an sein Forschungsergebnis an, das sich wie folgt formulieren lässt: „Aus der Industrie kannte Mallett zirkulierendes Licht in Form von Ringlasern. Er begann zu rechnen, fast 100 Seiten lang. Das Ergebnis war eindeutig: Ein Ringlaser kann einen Wirbel in der Raumzeit erzeugen – ähnlich einem Löffel, mit dem man Kaffee in einer Tasse umrührt.“(Gartner, 01.11.2007) Den Wirbel habe man sich, so Mallett wörtlich, wie einen „lichtdurchflutenden spiralförmigen Tunnel“, in dem die Zeit nicht linear, sondern kreisförmig verläuft, vorzustellen. Liefe man die Spirale hinab, gelänge man in die Vergangenheit. (Vgl. ebd.)
Ernüchterung aber für all diejenigen, die hofften, nachdem sie sich am prähistorischem „Creature-Seeing“ ergötzten, Napoleon auf Helena auszulachen, nur um kurz danach einen Abstecher in die 30er zu machen, um Hitler zu töten: Man kann, so der derzeitige Konsens, bloß immer wieder zu demjenigen Zeitpunkt zurückreisen, in dem die Maschine das erste Mal in Betrieb genommen wurde. (Vgl. ebd.)
Würde man also heute, am 02. Mai 2009 um 17:30 die Licht-Zirkulation in Gang setzen, daraufhin zum Beispiel zehn Jahre lang warten, bis Anfang Mai 2019, könnte man von dort aus bloß wieder bis heute, exakt 17:30 gelangen.
Das ist eine Annahme. Wie jede Annahme gilt sie immer als falsifizierbar, bis sie voll und ganz verifiziert wurde, was bekannterweise seit Popper niemals der Fall sein kann. Vor Einstein glaubte man auch, die Zeit sei ausnahmslos eine Konstante und Newton sei das Ende der Tatsachen. Es ist also möglich, dass die Wissenschaft neue Prinzipien, Kräfte, Phänomene entdeckt, die heutige vorläufig verifizierte Theorien wieder falsifizieren. Wissen ist in sich im Kern nie konstant, muss also immer als flexibel betrachtet werden. Keine Theorie ist voll und ganz gesichert, kann immer wieder widerlegt werden. Dieses Potenzial ist stets vorhanden.
So haben auch heutige Ansichten und Theorien zur Physik der Zeitreise eben jenes Potential inne.
Den Gedanken, in die Vergangenheit zu reisen und es Marty McFly mit dem Delorean gleich zu tun, ist also nicht in unendliche Ferne gerückt. Allerdings kann man sich niemals der Konsequenzen einer Veränderung in der Vergangenheit bewusst sein. Veränderte man auch nur eine minimale Begebenheit, einen kurzen Moment, könnte dies theoretisch verheerende Folgen nach sich ziehen. Dieser Problematik nahmen sich bereits etliche Filme an, zu den bekanntesten dürfte Zurück in die Zukunft zählen. Marty McFly (Michael J. Fox) reist mit Hilfe des von Dr. Brown gebauten Delorean (siehe oberstes Bild), ein futuristischer, zu einer Zeitmaschine umgebauter 08/15 Wagen, in die Vergangenheit, just zu dem Zeitpunkt, an dem seine Eltern sich verlieben sollten. Unglücklicherweise verliebt sich Martys Mutter in ihren zukünftigen Sohn, welcher aufgrund dessen Gefahr läuft, langsam zu verblassen, da er ja nie geboren würde. Daraufhin versucht er alles, damit sich seine Mutter wie „gewohnt“ in seinen Vater verliebt. Sein Unternehmen ist, soviel sei verraten, erfolgreich. Immerhin gibt es zwei Sequels mit Michale J. Fox in der Hauptrolle...
Ob gewollt oder nicht streift Zurück in die Zukunft hier beläufig ein äußerst problematisches Prinzip: Das Großvater-, beziehungsweise Muttermord-Paradoxon. Die zweite, ursprüngliche Bezeichnung war wohl vielen, die es nach der Bildung des Begriffs in welcher Beziehung auch immer verwendeten, zu heikel. Denn wer möchte denn bitteschön in die Vergangenheit reisen, bloß um seine Mutter zu töten? Prekär ist für mich der Umstand, dass es denen, die den „softeren“ Begriff prägten, wohl angenehmer erschien, den Großvater anstatt der Mutter zu ermorden. Ich möchte aber die ethische Komponente bewusst nun außer Acht lassen...es ist bloß ein Gedankenexperiment.
Hätte man also die Möglichkeit in die Vergangenheit zu reisen und unter welchen Umständen auch immer das Vorhaben, zum Beispiel die eigene Mutter umzubringen, bevor man jedoch geboren wurde: Wäre die eigene Geburt dann jemals möglich gewesen?
Hätte man somit überhaupt nur den Hauch einer Chance, an eine Zeitmaschine zu gelangen; wenn nicht, weil wir in der Vergangenheit ja sonst die eigene Mutter umbrächten, was hielte uns davon ab? Schicksal? Oder ließe es die „Zeit“, als metaphysisch gedachtes Lebewesen quasi, nicht zu?
Wäre es der Zeit – sagen wir – egal, und wir könnten tatsächlich zurückreisen und unsere Mutter vor unserer Geburt töten, was würde geschehen? Ein universeller Kollaps? Eine kosmische Implosion, die alles Leben dahinrafft?
Fragen wie diese ließen sich dutzende stellen, Antworten drauf werden zumindest uns wohl noch lange ausständig bleiben, wenn sie denn überhaupt je beantwortbar sein werden.
Markus Pössel vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik sieht dem Muttermord-Paradoxon gelassen entgegen und begegnet ihm sozusagen mit einer Antwort, die sich ihrer Schicksals-Gehörigkeit nicht zu schämen gedenkt:
Die Situation, in der die eigene Mutter sich von ihrem zukünftigen Kind ihres Lebens bedroht fühlte, wäre ihr in später Zukunft bloß eine Anekdote wert. „Denn die Veränderung der Geschicht e ist nach den Regeln der Physik nicht möglich – der Zeitreisende greift ja nicht in ein Geschehen ein, das schon einmal abgelaufen ist, sondern fügt sich sozusagen nahtlos in die Handlung ein.“(Drösser, 02.10.2003)
Die Mutter würde wahrscheinlich ihrem eigenen Kind (dem/der potenzielle/n TäterIn!) erzählen, wie ein aufgewühlter Mensch mit einer Waffe in der Hand ins Haus stürmte, sie ihm/ihr diese aber aus der Hand schlagen konnte und ihr Leben damit rettete.
Wie man sieht, wirft das Muttermord- oder Großvater-Paradoxon einige interessante Fragen auf. Eine detaillierte Schilderung dieser Thematik kann man bei Interesse in einem zukünftigen Blogeintrag nachlesen.
Verwendete Literatur
Thorne, Kip S.: Gekrümmter Raum und verbogene Zeit. Einsteins Vermächtnis, München: Droemersche Verlagsanstalt 1996.
Schröder, Torben: Science Fiction als Social Fiction. Das gesellschaftliche Potential eines Unterhaltungsgenres, Berlin et al: LIT 1998.
Schulz, Joachim: „Gedankenexperimente“, 25.12.2008, http://www.relativitaetsprinzip.info/gedankenexperiment/ (28.04.2009).
Gartner, Bettine: „Rettung für Superman“, Zeit Online, Nr. 45, 01.11.2007, In: http://www.zeit.de/2007/45/P-Ronald-L-Mallett? (02.05.2009).
Drösser, Christoph: „Kein Weg zurück“, Zeit Online, Nr. 41, 02.10.2003, In: http://www.zeit.de/2003/41/Zeitreisen (02.05.2009).